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Bei den Kranichen an der Vorpommerschen Boddenküste

Alljährlich, im Herbst und Frühjahr, vollzieht sich ein Naturwunder besonderer Art - der Vogelzug. Der Hauptgrund für den winterlichen Wegzug liegt wohl in der nicht vorhandenen artspezifischen Nahrung (z.B. Schwalben finden keine Fluginsekten). Einige Arten ziehen einzeln, die meisten in kleinen Gruppen bis zu riesigen Schwärmen (Stare). Manche ziehen vorwiegend am Tage, andere wiederum sond typische Nachtzieher (Grasmücken, Drosseln,...). Sie orientieren sich an markanten Geländeformationen (Gebirge, Flußtäler), dem Sonnenstand, ja nachts nach Gestirnen, so vermutet man, auch könnte der Erdmagnetismus eine Rolle spielen. Beim Vogelzug werden teilweise beachtliche Strecken zurückgelegt: von Europa bis nach Südafrika (Rauchschwalbe, Weißstorch,...) und wie selbstverständlich finden die Vögel im Frühjahr wieder genau in "ihr" Brutgebiet zurück. Dabei bevorzugen alle ganz bestimmte "Zugstraßen".
Eine der auffälligsten Zugvogelbeobachtungen ist der Zug der Kraniche, landläufig auch "Hoalgois" (Hohlgans?), fälschlicherweise jedoch als Schneegänse  bezeichnet. Ende Oktober - Anfang November ist der Hauptzug, meist in der markenten Keilform, mit lauten "kruh-kruh"-Rufen begleitet, ziehen die Kraniche alljährlich in einer relativ schmalen Zugstraße über unser Mittelhessen hinweg. Manchmal, besonders bei ungünstiger Witterung, wird auch bei uns in geeigneten großräumigen Gebieten eine Zugrast eingelegt, bevor sie weiter über Frankreich bis in das südspanische (oder marrokanische ) Überwinterungsgebiet ziehen.
So konnten allein am 27.10.1997 nachmittags innerhalb zwei Stunden über der Gemarkung Krofdorf-Gleiberg rund 3000 Individuen gezählt werden. Der Frühjahrs-Rückzug (meist in der ersten März-Dekade) ist weniger auffallend, weil die Vögel vermehrt nachts ziehen, auch scheint die Hauptzug-Achse im Frühjahr weiter östlich zu liegen. Den in den letzten Jahren rund 15.000 Herbstbeobachtungen stehen "nur" ca. 3000 Frühjahrsbeobachtungen gegenüber.
Einige Wettenberger Vogelfreunde fahren schon seit mehreren Jahren - Mitte Oktober - den Kranichen entgegen an die Vorpommersche Ostseeküste. Im dortigen Nationalpark zwischen der Halbinsel Zingst und dem durch die Boddengewässer getrennten südwestlichen Teil von Rügen sammeln sich alljährlich - ab Mitte August beginnend bis Mitte Oktober steigend - bis zu 60.000 Kraniche. Sie kommen aus skandinavischen und osteuropäischen Brutgebieten zu einem mehrwöchigen Sammelplatz, um dann - günstige Witterung abwartend - innerhalb weniger Tage zu der großen Reise anzutreten. Bis es so weit ist, fliegen sie tags in Gruppen von etwa 50 - 500 Individuen bis 50km weit in das Landesinnere, um auf den großräumigen Feldern Nahrung aufzunehmen. Kurz vor Einbruch der Dämmerung kehren sie dann in die kniehopch stehenden Boddengewässer oder auf kleine Inseln zurück, um dort zu übernachten.
Aus den riedgedeckten, bis 80 Personen fassenden runden Beobachtungstürmen beobachten viele Naturfreunde mit Ferngläsern ausgerüstet dieses abendliche "Schauspiel". Immer neue "Geschwader" tauchen amHorizont auf, so daß man je nach Witterung und Windverhältnissen zwischen 5000 und 20.000 Individuen  von einem Standplatz aus beobachten kann.
In der dortigen Kernzone des Nationalparkes ist ein Befahren mit PKW nicht zulässig, so daß wir vom Parkplatz hinter der Ortschaft Zingst-Müggenburg noch etwa 8km mit dem (Leih-)Fahrrad östlich bis zum Zielpunkt (Pramort) radeln müssen; alternativ auf Bestellung auch mit einem Pferde-Planwagen. Unterwegs zeigen sich in der Luft oder auf Rinderweiden riesige Gänsescharen (Saat-, Bläß-, Weißwangen-, Kanadagänse). Die Schnepfen und Limikolen sind zu diesem Zeitpunkt bereits durchgezogen. Aber auch zahlreiche Entenarten kann man auf den Gewässern betrachten.
Ein besonderes Erlebnis ist eine Dampferfahrt vomm Hafen Zingst durch die Boddengewässer zu der westlich Rügen vorgelagerten Insel Hiddensee. Auf der Fahrt weist der Kapitän unter anderem auf die ornithologischen Besonderheiten hin. Seeadler sind immer dabei; allein rund 6000 Höckerschwäne halten sich zu diesem Zeitpunkt in den Gewässern auf. Insgesamt konnten wir während der Überfahrt 32 Vogelarten bestimmen. Auf Hiddensee empfiehlt sich ein halbstündiger Fußmarsch vom Hafen Vitte zur nächsten Ortschaft Kloster. Unterwegs entlang des Deiches soweit das Auge reicht, strahlt der Sanddorn mit seinen leuchtend gelb-orangefarbenen Früchten, in denen zahlreich nordische Wintergoldhähnchen eine Zugrast einlegten. Auf den Wiesen und Binnengewässern wieder eine artenreiche Gänse- und Entenschar. Weiter vorbei an dem neu errichteten Nationalpark-Haus (mit interessanten Infos und Ausstellungen) zum Zielort Kloster.
Sehenswert ist die westliche Steilküste - hier brüten unter anderem Mehlschwalben - weioter hinauf zum höchsten Punkt der Insel, dem 72m hohen Dornbusch mit seinem weithin sichtbaren Leuchtturm. Auch ist hier die Vogelwarte angesiedelt. Im Ort selbst ist das Heimatmuseum empfehlenswert, sowie das Gerhard-Hauptmann-Haus. Natürlich darf man in den Gaststuben neben den zahlreichen Fischgerichten einen Sanddorn-Schnaps nicht auslassen.
Zurück zum Kranich - übrigens Wappenvogel der "Lufthansa" - war in der "alten" Bundesrepublik fast ausgestorben. 1974 zählte man noch 12 Brutpaare (Schleswig-Holstein und im nordöstlichen Niedersachsen, östlich der Elbe). Danach wurde seitens des DBV (heute NABU) und des WWF (World Wildlife Fund for Nature) mit Fördermitteln der Lufthansa und Unterstützung durch Fachbehörden ein Schutzprogramm zur Rettung des Kranichs entwickelt. Fast alle seitherigen Brutgebiete wurden als Naturschutzgebiet ausgewiesen, potentielle Brutgebiete (großräumige Moore und Erlenbruchwälder) durch Wiedervernässung und Bau von kleineren Inselchen neu geschaffen. Der Erfolg nach nur vier Jahren: 23 Brutpaare. Seitdem hat die Zahl weiter zugenommen. Heute, im wiedervereinigten Deutschland, brüten etwa 1500 Paare - alle östlich der Elbe, die meisten in Mecklenburg-Vorpommern. In Deutschland zumindest scheint der Kranich "über den Berg" zu sein. Doch dürfen bei der geringen Vermehrungsrate (durchschnittlich 1,0 Junge je Paar und Jahr) die Schutzbestrebungen nicht nachlassen. Dazu wurde in 1997 eigens ein Kranich-Informations-Zentrum gegründet, das den internationalen Kranichschutz koordiniert. Es befindet sich in der Gemeinde Groß-Mohrdorf (nordöstlich der Stadt Stralsund). Dessen Besuch sollte sich kein in der Region weilender Vogelfreund entgehen lassen.
Hoffen wir, daß die Schutzbemühungen weiterhin erfolgreich sind und wir uns auch zukünftig an diesem majestätischen Großvogel erfreuen können.

Horst Pfaff, GreenTime 3/98


 

 

   
   
Version 3 - Sommer 2007

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